Texte

 

Moderne religiöse Malerei, die den Schmerz und die Wunden der Schwachen heilt

Seoul, 2022

Choi Kwang Jin

Vor der Moderne widmete sich die Kunst überwiegend religiösen Themen, motivisch lagen diesen Werken, die als Schmuck für Gotteshäuser oder zum Zweck der Missionierung geschaffen wurden, die Erzählungen der Heiligen Schriften zugrunde. Gnadenbilder von Heiligen, die über dem gemeinen Volk standen, folgten einer bestimmten Ikonografie, oder es handelte sich um die ästhetisierende Darstellung von Anekdoten aus ihren Leben. Aber kann mit solchen religiösen Ikonen und anekdotischen Darstellungen tatsächlich das Wesen einer Religion, das in Werten wie Liebe und Barmherzigkeit besteht, zum Ausdruck gebracht werden? Im Christentum wurde einst das sogenannte „ikonoklastische Verdikt“ erlassen, weil man befürchtete, dass solche Ikonen zu Götzenbildern werden könnten, die das Wesen der Religion entstellen.

Die Künstler der Moderne versuchten, sich von der Tradition einer im Dienst der Religion stehenden Malerei zu lösen, indem sie im Namen der Autonomie der Kunst die jeweilige soziale Realität oder die eigene Innenwelt in den Fokus ihrer Arbeit rückten. Das Werk der in Berlin lebenden und arbeitenden Künstlerin Kwang Lee zeichnet sich jedoch durch eine moderne Fortführung der Tradition der religiösen Malerei unter Rückgriff auf ein viele Jahrhunderte altes Motiv der christlichen Kunst aus: die Pietà. Insofern sie nicht im Dienst der Vermittlung christlicher Lehren steht, sondern die religiösen Gefühle der Künstlerin zum Ausdruck bringt, zeigt Lees religiöse Malerei Merkmale des Neo-Expressionismus. Bei den religiösen Gefühlen, denen das Streben der Künstlerin gilt, handelt es sich um eine ganz grundsätzliche Menschlichkeit, die in einem Zustand, in dem die Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem Anderen aufgehoben ist, Liebe und Vergebung sowie Mitgefühl mit den Schwachen ermöglicht.

Dass sie diese religiösen Gefühle zum Gegenstand ihrer Kunst machte, hängt ursächlich mit einer Reise nach Indien während ihrer Studienzeit zusammen, die sie als schicksalhaft erlebte. Als es sie auf dieser Reise einmal durch Zufall in ein Dorf verschlug, in dem bittere Armut herrschte, erlebte sie dort den Anblick von Menschen, die auf der Straße liegend verendeten, als tiefen Schock. Und während sie in Indien die historischen Wirkungsstätten hinduistischer Gottheiten und des Buddha Gautama bereiste, dachte sie tiefer über das menschliche Leiden und das Wesen von Religion nach.

Seither hegt sie ein anderes Mitgefühl für von den Herrschenden ausgebeutete schwarze Arbeiter, für Flüchtlinge, die aus der Heimat vertrieben ziellos umherirren, für sozial Benachteiligte, die unter Armut und Krankheit leiden. Dieses Mitgefühl scheint auch mit ihrer unglücklichen Familiengeschichte zu tun zu haben. Sie empfand tiefes Mitgefühl für ihre Mutter, die, ein Leben lang unter der Fuchtel ihres gewalttätigen Vaters stehend, ihren Lebensunterhalt als Fabrikarbeiterin verdiente. Durch Liebe und Vergebung gelang es der Künstlerin schließlich, sich von dem intensiven psychischen Schmerz der unglücklichen Familiengeschichte zu befreien und Seelenfrieden und Freiheit zu erlangen, was zum Gegenstand ihrer Arbeit wurde.

Dieser Hintergrund erinnert mich an den französisch-jüdischen Philosophen Emmanuel Levinas, der den Völkermord an den Juden miterlebt hatte und die Frage des leidenden „Anderen“ zum Gegenstand seiner Philosophie machte. Levinas fand im leidenden Benachteiligten das „Antlitz Gottes“ und argumentierte, Ethik beginne dort, wo das Ich in Hinwendung zum leidenden „Anderen“ transzendiert würde. So wie Levinas das Bild Gottes im Angesicht des leidenden „Anderen“ fand, läßt Lee in ihrer Pietà ausgebeutete Schwarzafrikaner die Rollen der Heiligen Jungfrau Maria und Jesu einnehmen. Hinzu kommen Gestalten aus ihrer eigenen, dem Unbewussten entsprungenen Fantasie, wie zum Beispiel sich windende Drachenschwänze oder Satyrn.

Diese Werke, in denen Schmerz und Jubel, Tod und Auferstehung, Bewusstsein und Bewusstlosigkeit koexistieren, sind wie die Wandmalereien des historischen koreanischen Königreichs Goguryeo voller menschlicher Wärme und Energie. Was die Aufmerksamkeit des Betrachters erregt, sind keine religiösen Anekdoten, sondern eine intensive Energie, die leidende und verletzte Herzen reinigt und heilt. Wie eine Schamanin in einem exorzistischen Ritual, nimmt die Künstlerin die Gewalttätigkeit und Mordgier der Gesellschaft in sich auf, um die Seele davon zu reinigen und zu heilen. Kwang Lees Werk, in dem Mechanismen zur Anwendung kommen, die dem sogenannten Salpuri verwandt sind, einem Tanz, der Traumata und den verkrusteten Schmerz lange erduldeter Unterdrückung zu lösen vermag, steht im Einklang mit der tief verwurzelten schamanistischen Tradition Koreas.

 

Ich streife am Davoser See umher.

Berlin, 2015

Von Yushin Ra

Das ist ein schönes Bild. Ein ruhiges und friedliches. Ein See, Bäume, Laub, Eis, Wasser, Himmel, die Schweiz und Davos. Die hellgrünen und weißen Farben scheinen zu träumen. Die Bäume, die Berge und der See zeigen sich mit ihren noch erkennbaren Silhouetten nicht ganz fremd. In dieser lyrischen und romantischen Landschaft dürfte man sich wohl entspannen. Es scheint, dass man sagen darf, ich bin hier glücklich.

Zugleich ist aber zu beobachten, dass die Dinge in dieser Landschaft ein bisschen korrodiert sind. Eine Korrosion verursacht eine Verformung und verwischt die Grenze zwischen den Gegenständen.
So werden die Bäume zum See, der See wird zum Berg. Eine Korrosion verwandelt einen Gegenstand, der uns vertraut war, in etwas Fremdes und bringt ein uns zuvor nicht bekanntes Gesicht zur Tage. In Kwang Lees Bild ist aber eine solche Korrosion nicht zu sehen. Das Verwischen der Grenzen zwischen den Gegenständen ist hier nicht solcher Art. Die hier zu beobachtende Verformung berührt uns weder unangenehm noch verwirrt sie uns. Die Korrosion der Grenzen der Gegenstände scheint hier auf den ersten Blick nur als Einladung zu dienen, uns von dem See in der Realität zu einem im Traum zu führen. Aber werden wir tatsächlich am Ende dieser Führung einen Traumsee erreichen?

Lassen Sie uns mit dieser Frage die Aufmerksamkeit auf die Punkte lenken, die große Flächen der Leinwände verschleiern und darauf zerfließen. Sie rahmen mit ihrer Menge die Landschaft ein. In den anderen Bildern Kwang Lees umfassen die Punkte mal die ganze Oberfläche, mal hebt nur ein roter Punkt seine eigene Präsenz hervor. Was sind die Punkte? Woher sind sie gekommen? Gehören sie zu der Landschaft oder sind sie Fragmente des Lichts, das auf die Leinwand der Künstlerin fällt?
In dem Moment, wo wir uns auf diese bunten Punkte konzentrieren, ereignet sich etwas Interessantes. Die Punkte verbinden sich miteinander und erzeugen dabei eine unsichtbare Scheibe zwischen dem Betrachter und der Landschaft. Diese rückt hinter diese Scheibe und das Vorderste, auf das der Zuschauer trifft, ist der Schleier der Punkte. Wir begegnen der Landschaft nicht direkt.
Was noch vor der Landschaft unmittelbar ist, ist der Schleier der Punkte. Dieser ist wirklicher.

Die Landschaft hatte bereits ihre Wirklichkeit verloren, als sie durch die partielle Grenzenlosigkeit verformt worden ist. Durch den Schleier der Punkte, wird sie noch mehr zu einem Traum. Denn ein Traum kann erst auf dem Hintergrund einer Wirklichkeit ein solcher sein. Nun noch einmal: Was sind diese Punkte, die als etwas noch Wirklicheres die Landschaft zu einem Traum machen?
Ich möchte unterstellen, dass sie ein Bewusstsein sind. Ein Bewusstsein ist immer da, aber normalerweise bleibt es im Hintergrund. Es taucht nur bei einem besonderen Anlass an die Oberfläche auf. Im Bild Kwang Lees wurde gerade ein Bewusstsein beschwört und in den Vordergrund gezogen. Es streift nun im Bild herum, als wolle es seine Existenz aufweisen.

Die Zeit, wo an ein Bewusstsein appelliert wird, dass es sich melden soll: wann geschieht das? Wann will oder soll man das Alibi seines Bewusstseins vorlegen?
Man sagt oft, dass ein Bild ein Fenster sei, das eine andere Welt erschließt. Dieses Fenster, dieses Medium wird normalerweise in Bildern ausgeblendet. Wir sehen darum nicht ein Bild, sondern einen See, ein Berg und Bäume. Die Tatsache, dass es dort eigentlich ein Bild davon gibt, nicht die Gegenstände selbst, dass sie Illusionen sind, nicht die Sachen selbst, soll an einem Bild im Hintergrund zurückbleiben.
Jene Punkte Kwang Lees scheinen als ein Anzeiger von innen zu fungieren, der entlarvt, dass die Landschaft eine Illusion ist. Die Punkte geben preis, dass das, was hinter dem Schleier der Punkte ist, kein See, sondern ein Bild ist, und dass jenes, was hier wirklich existiert, ein Bewusstsein ist, das diese Illusion beobachtet. So rückt es das Illusion-Sein des Bildes (oder das „Bild-Sein“ des Bildes) in den Hintergrund und tritt selbst als Thema auf.

Die Zeit, wenn ein Medium sich sichtbar macht, wenn es seine Existenz zu erkennen gibt: das ist auch die Zeit, in der es um die Wahrheit geht. Worauf kann sich im Bild Kwang Lees die Frage nach der Wahrheit richten? Was für eine Wahrheit wollte die Künstlerin in Frage stellen? – Hat sie vielleicht danach gefragt: Was ist das? Ist das der Davoser See oder ein Bild, eine Illusion, ein Traum?
Ich weiß, dass die die Künstlerin nicht auf diese Frage abgezielt hat. Aber es scheint mir, als habe sich die Frage nach Realität und Illusion im Schaffensprozess Geltung verschafft. Die farbigen Punkte, die auf dem Bild Kwang Lees schweben, führen uns zu dieser Thematik und appellieren an den Betrachter, Antworten zu erspüren.

Die Seebilder-Serie von Kwang Lee wurde im Rahmen ihres Projekts „Vier Elemente“ geschaffen. Wasser, Erde, Feuer und Wind gelten häufig als Repräsentanten der Natur. Aber in ihnen haben die alten Philosophen auch die elementare Wahrheit des Kosmos gesucht. Dieser Aspekt weist uns auf
die Möglichkeit hin, das Wasser Kwang Lees weniger als die alles tragende Mutter, denn als das erste Element des wirklichen Seins zu interpretieren. Kann man eingedenk dessen das Bild „der Davoser See“ auch als eine Sehnsucht nach dem wesentlichen Sein ausdeuten? Vielleicht haben Sie Lust, beim Betrachten der Bilder dieser Frage nachzugehen!

 

Über Kwang Lees Wassermalerei

Zürich, 2012

Von Barbara Birg-Rahmann

Kwang Lees Bilder werden lebendig zwischen Tag und Nacht.
Das schwindende Tageslicht verschleiert die Farben und lässt Formen verschwimmen. Es bemüht unser Sehen, bis die Dunkelheit endgültig obsiegt. Die Abbilder der Wirklichkeit werden von der Nacht eingehüllt und für unsere Augen unsichtbar. Trotzdem bleiben sie präsent.

In Kwang Lees Gemälden erstrahlen die Berliner Seen und Davoser Landschaften unter dem tiefblauen Sternenhimmel in einem geheimnisvollen Licht. Es ist weder ein beobachtetes Licht, wie das Studienobjekt der Impressionisten, noch ein inszeniertes Licht. Die Dinge scheinen aus sich selbst heraus zu leuchten. Ihr ureigenes Wesen erstrahlt, welches uns zugleich vertraut und fremd ist. Es ist ein gespürtes Licht, das Kwang Lee zum Ausdruck bringt. Die Dunkelheit raubt ihr den wichtigsten Sinn des Malers und stärkt ihr Empfinden für das verborgene Wesen der Dinge.
Auf den glatten Spiegeln der Seen stellt die Künstlerin dieses Leuchten in den Dialog mit sich selbst. Die Wasseroberflächen bilden die Leinwände der Natur. Auf ihnen beobachten wir gebannt die uns umgebende Wirklichkeit. Durch die Brechung des Lichts erscheint sie uns neu, in ungewohnter Proportion. Die Bewegung des Wassers lässt das Statische zerfließen. Kwang Lees Bildkompositionen lenken den Blick des Betrachters immer wieder zu den stillen und doch bewegten Spiegeln zurück. Sie bilden das Gefäß für den eigentlichen Kern ihrer Werke: das Wasser.

„Das höchste Gut gleicht dem Wasser.
Des Wassers Gutsein: Es nützt den zehntausend Wesen,
aber macht ihnen nichts streitig; “
1

Ihre Spiegelungen bauen keine Spannungen auf. Sie leben in der Ruhe der Gewissheit, Wahrheit in sich zu tragen. Die Gefäße der Seen sind bis zum satten Rand mit Wasser gefüllt. Dieses Element schenkt dem umgebenden Dasein seine Existenz. Seine Kraft ist durch das enge Zusammenspiel der Farben und durch die kompositorische Verbindung der Reflexion mit seiner Umwelt zu spüren.
In Kwang Lee’s Schöpfungen vereinigen sich virtuos das Gedankengut der asiatischen Philosophie mit der Maltradition westlicher Schule. In der Kunstakademie Düsseldorf zur rigorosen malerischen Analyse erzogen, wendet sie sich doch in ihrer gedanklichen Verortung immer zum Vereinenden hin. Die Akzeptanz der „Ungegenständlichkeit“ als Ausdruck des „rein Geistigen“, des Transzendenten mussten sich Wassily Kandinsky und seine Mitstreiter hart erkämpfen. Und wie sehr ist diese Assoziation mit der Denkweise unserer westlichen Welt eins geworden. Die asiatische Malerei musste nie den Weg der Entfernung von der Dinglichkeit gehen. So muss es auch Kwang Lee nicht.

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1 Lao-tse, Tao-Tê-King, Das heilige Buch vom Weg und von der Tugend. Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Günther Debon. Stuttgart 2012, Kapitel 8, Seite 14.

 

Temperamentvolle Bilder voller Symbolen der Vergänglichkeit

Wuppertal, 2009

Von Meike Nordmeyer

Wuppertal. Die Künstlerin Mua Kwang Lee bewegt sich mit ihren Bildern auf der Grenze zwischen gegenständlicher Malerei und Abstraktion. Sie neigt mal mehr zur einen, mal mehr zu anderen Seite und bringt beide spannungsreich zusammen. Die junge Koreanerin und Wahlberlinerin studierte an der Kunstakademie in Düsseldorf und wurde Meisterschülerin von Markus Lüpertz. Die Galerie Janzen im Kolkmannhaus zeigt jetzt ihre Malerei und Arbeiten auf Papier.

„Lassen Sie sich von den süffigen Farben nicht täuschen“, sagt Galeristin Martina Janzen bei der Vernissage. Denn in den temperamentvollen, so frisch daher kommenden Arbeiten geht es um existentielle Fragen, um Tod, Schmerz, Angst und Leiden. So sind auf den drei Landschaftsbildern, die einen herbstlichen Wald zeigen, ein Totenschädel zu sehen und ein Affe, der auf einem am Boden liegenden Baumstamm hockt. Auf einem anderen Gemälde sitzt ein Skelett auf einem Holzstuhl. Kerzen und Spiegel als weitere Symbole der Vergänglichkeit finden sich.

Mehrfach lassen sich auch Vögel erkennen oder ihre Umrisse erahnen. Sie stehen für die Freiheit und gerade auch für die verhinderte, gestutzte Entfaltungsmöglichkeit. Verbunden werden sie oftmals auch mit Unglück und Ängsten. Vor allem auch der Affe ist ein wichtiges Symbol für die Künstlerin, gerade wegen seiner Vieldeutigkeit. So steht er in der westlichen Kunstgeschichte für Geiz, Lüsternheit und Bosheit. In Asien deutet er hingegen auf Weisheit hin und gilt als ein Schutzgott gegen das Böse.

Hintergründige Bilder sind es und voller Energie. Die üppige Farbigkeit erzielt die Künstlerin mit Eitempera, Öl und Farbpigmenten. Diese Mischung trägt sie mit dynamischem Pinselstrich in gestischer Malweise auf, teilweise wischt sie auch über die Farbe, viele Schichten entstehen. Auch die Tropfbahnen, die sich bilden, gehören dazu, denn den Entstehungsprozess will die Malerin bewusst in die Bildsprache einbeziehen.

Blickfang der Ausstellung ist das aus drei Leinwänden zusammengesetzte großformatige Gemälde „Sternennacht im Fischtal“ von 2009. Diese nächtliche Seenlandschaft mit feiner Stimmung und Lichtreflexen erweist seine Reverenz zur Monet-Ausstellung im Von der Heydt-Museum und zeigt eine selbstbewusste eigene Handschrift.

 

Ersehntes Licht

Zürich, 2008

Von Barbara Birg-Rahmann

Ein Gesicht nimmt uns mit seinem gewaltsamen Anblick gefangen. Explosionsartig breiten sich hautfarbene Körperteile im Bild aus, umhüllt von grauen Nebelschwaden des entweichenden Lebensgeistes. Der Tod ist ihr ins Gesicht geschrieben. Trost suchend möchte man sich abwenden. Doch wird man gefangen genommen von diesem Auge. Klar und ruhig blickt es uns an, scheinbar unberührt von der es umgebenden eigenen Auflösung. In ihm glänzt Gottes Geschenk: das Leben.

Diese Gesicht einer alten Frau mit dem rätselhaften Titel „Null Vier Uhr. Alles fließt. Ich bin gesperrt.“ stellt Kwang Lee in den Mittelpunkt ihrer Ausstellung „Ersehntes Licht“. Es zeigt das Sinnieren über die eigene Sterblichkeit, die Angst vor dem Leiden, dem Tod. Diese Angst beschloss Kwang Lee bereits mit der Aufnahme an der Kunstakademie in Düsseldorf im Jahr 2000 ins Zentrum ihres künstlerischen Schaffens zu stellen. Ihre künstlerische Ausbildung in Korea thematisierte die Schönheit der Leere, das Streben nach Einheit, Harmonie und Gleichgewicht. Als Meisterschülerin von Prof. Markus Lüpertz erlernte sie die Erscheinung unserer inneren und äußeren Welten zu dekonstruieren und ihre Elemente neu zu komponieren. Figuration und vollkommene Abstraktion stehen in ihrem künstlerischen Schaffen dabei im Einklang. Oft gibt die Figuration das Thema vor, das in der Abstraktion fortgeführt wird. Dabei sichert die Stilsicherheit der einen die Qualität der anderen. Es entspricht der Arbeitsweise Lees jede Arbeitstechnik bis zur letzten Konsequenz zu erlernen. Ihre Werke sind einmalige Schöpfungen. Sie entstehen aus einem Guss. Korrekturen gibt es nicht. Sie lesen sich wie ein Leben, das nur einmal gelebt werden kann, in dem trotz aller Verbundenheit mit der Vergänglichkeit der Lebenswille ungebrochen ist. Die Hoffnungslosigkeit, festgehalten im Bildnis des alten Mannes nach Vincent van Gogh, wird im nächsten Moment aus der Erstarrung gelöst. Lees abstrakte Werke werfen sie gleichsam in den Diskurs mit dem Leben und führen sie damit wieder in ein heilsames Gleichgewicht, das Gleichgewicht des „Ersehnten Lichts“.